Anmerkungen zum Aspekt der unpopulären Entscheidungen
by Dr. rer. nat. Marlies Koel
Was könnten unpopuläre Entscheidungen sein, sowohl für den Einzelnen als auch für das System? Wirkliche Veränderungen können nur stattfinden, wenn wir unsere Komfortzone verlassen. Wenn wir uns selbst in Frage stellen, unser Bewusstsein entwickeln, die Verantwortung für unsere Entscheidungen übernehmen etc. Nachfolgend einige Anmerkungen und Fragen, um den Mut zu stärken, sich auch für unpopuläre Entscheidungen sich zu öffnen.
Die permanente Reizüberflutung durch Lärm, Licht, Social Media und vieles mehr lässt nur eine stressbelastete Sinnesverarbeitung zu. Dadurch werden unsere Überlebensmechanismen permanent aktiviert. Die Auswirkungen der Reizüberflutung zeigen sich bereits in der frühen Entwicklung. Unsere Lebensbedingungen haben sich durch die technische Entwicklung massiv verändert. Unsere Belastung durch Lärm, Licht und elektromagnetische Einflüsse ist sprunghaft angestiegen. Evolutionär sind wir darauf nicht vorbereitet. Evolution ist langsam. In unserer gespaltenen Gesellschaft sehen wir auch hier Gegensätze: Einerseits betonen Entwicklungspsychologie und Neurologie die Notwendigkeit stabiler entspannter Bedingungen für eine gesunde Entwicklung in den ersten Lebensjahren. Auf der anderen Seite wird für Krippen und ausreichend Krippenplätze plädiert.
Wir können die Themen, die mit den Herausforderungen des Lebens verbunden sind, bis zur letzten Konsequenz durchdenken und dies auch für nachfolgende Generationen. Dabei haben wir die Freiheit, uns gegen eine Entwicklung zu entscheiden oder den Dingen ihren Lauf zu lassen. Den Mut aufzubringen, eine Grenze zu ziehen, ist eine herausfordernde und oft unpopuläre Entscheidung. Gerade der eigene Lebensweg kann dies erfordern, um ein friedliches Miteinander mit uns selbst, mit anderen, mit der Natur und der Erde zu leben. Ein Leben in Verbundenheit mit allem, was ist. Nicht nur das physische Leben ist endlich, auch die Ressourcen sind es. Wir sind endlich.
Wir leben in einer sich schnell verändernden Welt mit einer extrem hohen Ereignisdichte, unter der der Mensch, die Menschheit und das Leben auf dieser Erde leiden. Ich spreche dann gerne von einer nicht artgerechten Menschenhaltung. Leben ist Vielfalt und das Gegenteil ist der Fall. Monokulturen, Standardasierungen und Normierungen sind angesagt. Die westliche Welt ist der Konsumsucht verfallen, egal auf welcher Ebene. Werde ich glücklicher, wenn ich noch mehr konsumiere? Wir geraten in einen Zustand zunehmender Entfremdung und Abspaltung. Manche sprechen vom Naturdefizitsyndrom. Wir werden immer manipulierbarer und leben mit einer unbestimmten Angst. Die Zeit zur Verarbeitung aller Informationen und Reize ist nicht mehr gegeben. Der Lebensrhythmus wird immer schneller, selbst der Genuss wird konsumiert. Dinge, die wir genießen wollen, brauchen Zeit und nicht hektisch von einem Event zum nächsten zu hetzen oder immer das Neueste vom Neuen zu haben. Wir sind technisch hochgerüstet und der Mensch ist dadurch nicht glücklicher geworden. Wo ist das richtige Maß? Zumal wir auf einem endlichen Planeten mit endlichen Ressourcen leben.
Warum konsumieren wir so viel? Ist es die Selbstdarstellung nach dem Motto „mein Haus, mein Boot, mein Urlaubsziel, mein Auto“? Oder versuchen wir damit, unsere seelischen Defizite zu kompensieren und der Sinn- und Orientierungslosigkeit zu entgehen? Wir entfernen uns immer mehr von uns selbst. Unpopuläre Entscheidungen sind notwendig, um uns nicht zu verlieren. Wir alle streben nach Glück, und am besten wäre es, wenn wir auf Knopfdruck glücklich sein könnten. Glück kann man nicht kaufen.
- Wollen wir alles umsetzen, was technisch möglich ist?
- Wo bleibt die Individualität?
- Leben bedeutet Vielfalt. Wo ist sie?
- Was wollen wir und was sollten wir nicht wollen?
- Will ich ein digitalisierter Mensch sein?
- Will ich die Verantwortung für mein Leben der KI überlassen?
- Haben wir den Mut, uns für Grenzen zu entscheiden?
- Dienen Wirtschaft und Fortschritt dem Menschen oder ist es umgekehrt?
- Welche Werte und welche Ethik sind wichtig?
- Ist die Würde des Menschen wirklich unantastbar?
Wir sind in der Lage zu denken, zu reflektieren und einen Diskurs zu führen. Wir haben die Freiheit zu entscheiden, ob wir Grenzen überschreiten oder nicht. Ob wir uns für ein lebenswertes Leben entscheiden oder nicht. Jeder Mensch ist gefragt.