Anmerkungen zum Wunder der Empfängnis
by Dr. rer. nat. Marlies Koel
Die Magie der Entstehung des Lebens und unsere Inkarnation in die Materie ist ein Wunder. Aus alten Texten kennen wir die Formulierung: „Wir sind in dieser Welt und nicht von dieser Welt.“ Im 13. Jahrhundert drückt Rumi es wie folgt aus: „Wir haben unseren Körper geschaffen, Zelle um Zelle haben wir ihn geschaffen.“ Trotz eines tieferen Wissens wird dieses Wunder in unserer Gesellschaft zunehmend technisiert und materiell betrachtet.
Schon immer wussten die Menschen um die Bedeutung der Polarität, damit neues Leben entstehen kann. Eine alte Metapher dafür ist die Paradiesgeschichte: Eva und Adam als Stellvertreter für Eizelle und Spermium.
In der Empfängnis finden sich unsere tief unbewussten Konzepte, Überzeugungen und unsere tiefste Psychosomatik wieder, die wir später im Leben ausleben. Es sind unsere Grundmuster, die im Zellgedächtnis gespeichert sind.
In den 90ziger Jahren lernte ich, dass die Eizelle das Spermium auswählt. Die Eizelle entscheidet und nicht das Spermium. Die Aussage über das Spermium: „Wer zuerst ankommt, mahlt zuerst“ ist nicht haltbar, wie auch Forschungsergebnisse bestätigt haben. Spannend ist für mich immer wieder zu erleben, dass diese Vorstellung bis heute weiterhin Bestand hat.
Seit 30 Jahren setze ich die Empfängnisübung ein. In der Art und Weise, wie ich sie persönlich anleite, zeigt sich das jeweilige individuelle erste und damit älteste Grundmuster. Es zieht sich wie ein roter Faden durch unser Leben, genauso wie die damit verbundene Psychosomatik. Diese grundlegenden Muster sind in unserem Zellgedächtnis gespeichert und begleiten uns durch das Leben. Wie sehr unsere Konzepte und kollektiv verankerten Vorstellungen mit der biologischen Realität kollidieren, zeigt sich immer wieder bei der Empfängnis.
Darüber hinaus gibt es nach der Übung einen Impuls oder eine Information, wo wir einen Schritt zur Seite gehen können, um eine neue Lebensentscheidung zu treffen und diese in weiteren Prozessen zu verankern. Mit einer späteren aktiven Bahnung über den Weg des Ypsilons eröffnet sich ein Lebensweg. Eine neue Handlungskompetenz entsteht und ein neuer Weg eröffnet sich. Aus meiner Sicht und Erfahrung findet eine nachhaltige Veränderung unseres Seins statt, wenn wir auf diesen frühen Ebenen arbeiten.
Um einen anderen Blickwinkel zur Empfängnis oder auch Konzeption zu geben, möchte ich im Nachfolgenden einige Aspekte und Sichtweisen von Jaap van der Wal, einem Anatom, Philosophen und Embryologen, beschreiben. Sein Spezialgebiet nennt er Embryosophie. Des Weiteren beziehen sich seine Zitate oft auf Rudolf Steiner und Rumi. Für ihn ist der lebendige Mensch eine Zeitgestalt und die Konzeption das Tor in die physische Welt, um den Geist und die Weisheit zu entwickeln.
Nach Jaaps Vorstellung entwickeln wir uns im Spannungsfeld zwischen Geist und Materie. Dies steht im Gegensatz zur rein biologischen Sicht. Danach sind wir ein Produkt von Eizelle und Spermium und der Mensch somit ein Produkt der Zellen. Wir können uns jedoch auch als einen spirituellen Impuls verstehen, als ein Wesen von Geist und Materie. Wir sind von Anfang an ein Organismus mit einer Psychosomatik. Einerseits der Körper, der ich bin, und in dem ich lebe, und andererseits der anatomische, wissenschaftliche und medizinische Körper. Mehrere Realitäten, die es zu verbinden gilt.
Der Embryo ist ein immerwährender Prozess, der nie endet: Es ist ein Entstehen und Formen des Körpers. Jedes lebendige Wesen ist eine kontinuierliche Weiterentwicklung in der Zeit. Ein Ausdruck des Seins in seiner Formfindung und ein Zu-Sich-Kommen. Die menschliche Gestalt ist dabei, sich anatomisch, physiologisch, psychologisch, mental in ihrer Entwicklung zu zentrieren und dabei ein natürliches Gleichgewicht zu kreieren.
Wir erschaffen den Körper, Zelle um Zelle. Zwischen Konzeption und Tod werden permanent Entscheidungen getroffen. Der Körper kann als Ausdruck der Polarität betrachtet werden und ist zugleich eine Ganzheit, währenddessen die Zellen einzeln sind. Spermium und Eizelle können nicht einfach verschmelzen. Sie beginnen miteinander zu „tanzen“ und tauschen Substanzen aus. Sie sind in einem Dialog. Damit sie sich vereinen können, ist es notwendig, dass beide sich verändern. Die Eizelle lädt das Spermium ein und ist somit aktiv und selektiv. Das Resultat ist die Zygote, die erste Sichtbarmachung des Dritten. Wir beginnen als Ganzheit, als Zygote. Nach Jaap sind nicht die Zellen die Bausteine des Lebens, sondern wir organisieren uns in den Zellen und in der Zeit.
Das Spermium ist beweglich, es verfügt über seine DNA. Es hat nichts Lebendiges an sich. Die Eizelle ist das Gegenteil, eine Kugel, innerlich lebendig, ein offenes System. Beide Zellen können sich gegenseitig heilen und ganz machen. Ein Zustand des sowohl Einen als auch des Anderen und zugleich weder das Eine noch Andere seiend, aus dem in der Konzeption ein einzigartiges Neues entsteht. Sie ist eine Ermöglichung. Raum und Zeit entstehen. Der Embryo beginnt sich zu entwickeln. Er bewegt und gestaltet sich. Es ist ein fortwährender Prozess.
Die Wachstumsgesten liegen in den Bewegungen und Handlungen des Embryos. Die Gestaltung des Embryos gleicht einer Performance, einer Höchstleistung im Laufe der Zeit. Wir stammen nicht aus dem Körper, sondern der Körper kommt aus uns. Der Embryo zeigt, wie das Leben in dem Gestaltenden und in der Bewegung beginnt. Es gestaltet den Körper in der Bewegung und so entwickelt sich der Körper. Die Bewegungsgebärden des Embryos prägen uns auch psychologisch.
Für Jaap verfügt der Embryo über ein Bewusstsein, das sich über Gebärden ausdrückt, als seine Form der Sprache. Somit sind unsere pränatalen Erfahrungen die Muster für unser postnatales Verhalten. Jeder Tag des Körpers ist anders – es ist ein schöpferischer Prozess, der sich einer höheren Ordnung folgend gestaltet. Im Laufe der Zeit zieht sich der Embryo zurück und etwas anderes und Neues kommt zum Vorschein.
Unsere Erinnerungen an die embryonale Zeit sind in der Tiefe unseres Unterbewusstseins und in unserem Zellgedächtnis gespeichert und haben eine Wirkung.
Ich lade Dich herzlich ein und begleite Dich gerne auf eine Zeitreise zurück in diese initiale Lebensphase. Das damalige Geschehen anzuschauen und erkennen zu dürfen, was war, ist ein nachhaltig heilsames Erleben, das sich erhellend und lebensverändernd in Deinem Leben auswirken kann.