Der Erzählmodus

von Dr. rer. nat. Marlies Koel

Konflikte gehören zum menschlichen Alltag. Es sind hochemotionale Situationen, die sehr belastend sein können. In einer Konfliktsituation sind wir emotional manchmal derartig mit dem anderen verstrickt, dass wir nicht mehr wir selbst sind. Wir fühlen uns missverstanden, nicht gesehen, nicht gehört und gekränkt. Wir hinterfragen und interpretieren den Anderen und haben den Kontakt zu uns selbst verloren. Nicht umsonst gibt es den Spruch „Erst mal eine Nacht darüber schlafen“. Die Frage, die bleibt ist, wie wollen wir mit Konflikten umgehen? Wir können konstruktiv oder destruktiv mit Konflikten umgehen.

Nehmen wir folgendes an: unser Leben findet auf einer Bühne statt. Auf dieser Bühne nehme ich nur einen kleinen Ausschnitt des Bildes wahr. Ich kann niemals die gesamte Szenerie sehen. Erst, wenn ich mich in den Zuschauerraum begebe, ist es mir möglich das ganze Bild sehen. Damit habe ich die Chance, auf die Ebene der Gefühle zu kommen. Auf der Bühne sind wir in der Welt der Emotionen gefangen, in der Unklarheit und Verstrickung herrschen. Wir sehen sozusagen „den Wald vor lauter Bäumen nicht“. Auf der Bühne bin ich immer mitten drin und somit in meiner Empfindungswelt der Emotionen verhaftet.

Erst aus der Perspektive des Zuschauerraums heraus, wechsele ich die Ebene und kann die Situation aus verschiedenen Blickwinkeln heraus betrachten. Dadurch ist es mir möglich,  zu anderen Einsichten und Entscheidungen zu gelangen.

Die Frage „Was hat es mit mir zu tun?“ ist dann hilfreich, um zunächst in sich die Situation zu klären und die damit verbundene Geschichte zu entdecken. Danach erst können wir diese Geschichte erzählen. Hierzu die nachfolgende Herangehensweise, die auf den Gedanken von Peter Reiter und Chuck Spezzano basieren.

Zunächst gilt es, die Konfliktsituation zu empfinden und die Emotion zu identifizieren, die wir in der Situation gespürt haben. Wenn wir gekränkt sind, tauchen die verschiedensten Emotionen auf wie zum Beispiel: verloren, einsam, verzweifelt oder hilflos. Des weiteren können wir uns die Frage stellen: „Wie alt könnte ich gewesen sein, als ich diese Emotion das erste Mal in meinem Leben gefühlt habe?“ Wenn wir daraufhin eine Antwort gefunden haben, betrachten wir das „Bühnenbild“ dieser Szene und klären: Wer war dabei? Wo hat die Situation stattgefunden? Welche Umstände waren gegeben und was hat sich auf der Bühne ereignet? Wann und wo wurde die Emotion empfunden? Im Folgenden wird angeschaut, wie ich reagiert habe und was ich entschieden habe. Dies war eine alte Situation aus meiner Vergangenheit, und wie sehe ich sie jetzt? Wie könnte ich heute entscheiden?

Wenn wir das Erlebte auf diese Weise geklärt haben, können wir unserem Gegenüber eine Geschichte im Erzählmodus in entspannter Situation mitteilen:

Als wir unseren Konflikt hatten, habe ich mich emotional .... gefühlt und ich habe entdeckt, dass ich mit .... Jahren schon mal das Gleiche empfunden habe... Es war folgende Situation ... Wie hättest du an meiner Stelle reagiert? Wie wärst du damit umgegangen? Was hättest du entschieden? Ich habe festgestellt, dass ich durch unseren Konflikt unbewusst in diese alte Situation gelandet bin und genauso wie damals reagiert habe.

Interessant ist zu beobachten, wie wir dies erzählen. Benutzen wir beim Erzählen oder auch sonst im Alltag Wörter wie „eigentlich, man und aber“? Sprechen wir in ganzen Sätzen? Benutzen wir die abgeschlossene Vergangenheit oder erzählen wir noch in der Gegenwart, obwohl unsere Kränkungen in der Vergangenheit liegen? Oft benutzen wir die Formulierung „Es ist ... gewesen.“ Das alte Ereignis ist eine abgeschlossene Vergangenheit: „Es war ...“

Geschichten wollen sich erzählen (sprechen aus sich selbst heraus) und je mehr Geschichten wir entdecken und erzählen, um so mehr (begegnen wir uns selbst) lernen wir uns kennen, kommen in unsere Kraft und werden authentisch. Wir sind echt und nicht nett.

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