Mein Platz im Leben

von Dr. rer. nat. Marlies Koel

Unser Platz und damit unsere Zugehörigkeit sind nicht verhandelbar! Dieses Grundbedürfnis zeigt sich von Anfang an, denn als Kind können wir nur über die Zugehörigkeit zur Familie/System wachsen und uns entwickeln. Am Beginn unseres Lebens haben uns unsere Eltern den Platz in der Familie zu geben, damit eine innere Sicherheit und ein Urvertrauen in uns entstehen kann. Ein sicheres Nest, aus dem heraus wir die Welt für uns entdecken können, um auch in ihr unseren Platz zu finden: unseren Platz in einer Gemeinschaft (Freundeskreis, Gruppen, Schule, Arbeit), in der Gesellschaft, im Leben und auch in der Natur. Der Platz in der Menschheitsfamilie ist ebenfalls von Bedeutung.

Gerade in unserem schnellen Wandel der Zeit, lebt der Mensch entgegen seiner Natur, die sich über all die Millionen Jahre entwickelt hat und wovon wir geprägt sind. Stattdessen leben wir mit einem hohen Stresslevel, der zu unserer Normalität geworden ist. Den Lärm-, Licht- und elektromagnetischen Stress registrieren wir in der Regel nicht mehr – er ist normal, genauso, wie die Hetze durch den Alltag. Letzterer ist vielfach bis auf die Minute genau durchgetaktet. Selbst die Freizeit ist davon betroffen. Die Zeit für sich, das Rückbesinnen und das Sinnieren, ist vielfach weg organisiert. Social Media und das Smart Phone bestimmen das Leben vieler Menschen und zunehmend auch die künstliche Intelligenz. Die Abspaltung von uns, vom Leben und der Natur sind die Folge.  Man spricht bereits von einem Naturdefizitsyndrom.

In einer zunehmend digitalisierten Welt, die vermehrt auch von der KI dominiert wird, ist es eine Herausforderung einen sicheren Platz und eine Zugehörigkeit zu finden. Der Mensch ist unter anderem über die Zugehörigkeit und seinen Platz in einem System definiert. Selbst die digitalen Nomaden geben sich über diese Begrifflichkeit eine Zugehörigkeit. Wir sind evolutiv auf die Natur geeicht und nicht auf Technik wie IT und/oder KI. Wo bleibt der Mensch in diesem Wandel?

Was wäre, wenn wir unsere Bedürfnisse nach Zugehörigkeit und Platz selbst erfüllen würden?
Was wäre, wenn wir statt aus unserem Mangel heraus, aus dem Blickwinkel der Fülle entscheiden würden?
Was wäre, wenn wir nicht mit unseren Emotionen und Glaubenskonzepten identifiziert wären?

Die Geschwindigkeit der Veränderungen in unserer Welt ist so schnell, dass unsere Anpassungsleistung eine immer größer werdende Herausforderung wird. Die Evolution ist langsam und die auf den Wandel ausgerichteten Anpassungsleistungen benötigen Zeit. Diese Zeit haben wir nicht. Der Wandel überrennt und überwältigt uns.

In unserer immer schneller werdenden Zeit haben wir kaum mehr Auszeiten für die Hinterfragung, ob all unserer unbewusst entschiedenen Konzepte, Muster. Wir haben zu funktionieren und zu performen. Das heutige Lebenscredo scheint „Sein gleich Haben“ zu sein.

Dies macht uns empfänglich für Manipulationen, Perfektionismus und Vereinheitlichung. Wo bleibt unser sicherer Platz und damit auch unsere Individualität in diesem Gefüge? Empfinden wir mit dem Herzen oder im Kopf?

Den Platz haben wir uns selbst zu geben. Auch hier liegt die Lösung jenseits von: wenn wir aufhören unseren Platz in einem System zu suchen, sondern ihn in uns selbst finden, beginnt unsere Freiheit.

Haben wir unsere Zugehörigkeit zu uns selbst gefunden, gehören wir zu allen und allem. Wir erleben eine größere Freiheit und Handlungsfähigkeit. Unser Bezugsrahmen kann sich fortwährend vergrößern mit der Neugierde auf das Leben und Sein. Kreativität und inneres Wachstum bekommen Raum.  Die Anfälligkeit für Manipulationen reduziert sich. Authentizität und Autonomie kann sich entwickeln.

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