Patriarchale Denkstrukturen - Lösungsansätzen
von Dr. rer. nat. Marlies Koel
Anmerkungen zu Lösungsansätzen
UBUNTU: Ich bin, weil wir sind.
Ein Forscher aus Europa bot hungrigen Kindern eines afrikanischen Stammes ein Spiel an. Er stellte einen Korb mit süßen Früchten an einen Baum und sagte ihnen, wer als Erster dort sei, gewinne alles Obst. Als er ihnen das Startsignal gab, nahmen sie sich gegenseitig an den Händen, liefen gemeinsam los, setzten sich dann zusammen hin und genossen die Leckereien. Als er fragte, warum alle zusammengekommen waren, obwohl jeder die Chance hatte, die Früchte für sich zu gewinnen, antworteten sie: Ubuntu - wie kann einer von uns glücklich sein, wenn alle anderen traurig sind? In ihrer Kultur bedeutet Ubuntu: Ich bin, weil wir sind.
(Quelle unbekannt)
Eine Frage, die mich seit Jahren beschäftigt ist: Welcher Gedanke hat zum patriarchalen System geführt und welcher Gedanke ist notwendig für den Übergang auf die nächste Stufe unserer Bewusstseinsentwicklung? Viele Fragen können in dem Zusammenhang gestellt werden. Nachfolgend zunächst einige mögliche Fragen: Welche neue Vision des Menschlichen ist nötig und gibt es eine Lösung? Oder ist dies Teil der Entwicklung? Wie oft ist es in der Vergangenheit vorgekommen, dass Zivilisationen genau an diesem Punkt gescheitert sind? Gibt es ein Problembewusstsein? Gibt es ein Lösungsbewusstsein? Ist uns bewusst, was wir tun? Was kann ich alleine tun? Was in einem größeren Rahmen? Viele Versuchungen, Ablenkungen und Aspekte unseres Lebens sind konstruktiv zu hinterfragen. Wie man sieht, es ist ein weites Feld mit vielen Fragen und es braucht den gemeinsamen Diskurs und das gemeinsame Hinschauen.
Es wird nicht die eine Lösung für alle geben. Die jeweilige Ort-Zeit-Mensch-Konstellation wird zu unterschiedlichen Lösungsansätzen führen. Die Lösungen liegen in uns. Uns Menschen verbinden mehr Gemeinsamkeiten als dass uns Gegebenheiten trennen. Jeder Mensch möchte gesehen, gehört, wahrgenommen, respektiert und wertgeschätzt werden. Eine Voraussetzung ist, dass wir uns als Menschen auf Augenhöhe begegnen - und dies in unserer Authentizität.
Es gab bereits viele Versuche in diese Richtung. Welche neue Vision des Menschlichen ist nötig und gibt es eine Lösung? Oder ist das Teil der Entwicklung? Wie oft ist es in der Vergangenheit vorgekommen, dass Zivilisationen genau an diesem Punkt gescheitert sind? Sind wir als Gesellschaft dazu in der Lage, das zu verhindern, oder ist das nur für wenige Personen möglich, die den Vergleich benötigen, um diese Entwicklung zu ermöglichen?
Einigen Naturvölkern, wie beispielsweise den Hopis oder Aborigines, ist es gelungen, nicht in die Materie-Versuchung zu geraten. Die westliche Welt ist daran gescheitert und das europäische Denken hat sich auf der ganzen Welt ausgebreitet. Dadurch sind großartige Ergebnisse und Leistungen entstanden, die nicht herabgesetzt werden dürfen. Meiner Meinung nach werden die neuen Impulse auch zukünftig aus Europa kommen.
Der Versuch, sich abzuschotten wird nicht funktionieren. Die Entwicklung geht weiter, ob wir es annehmen oder nicht. Nichts bleibt so, wie es ist.
Wir dürfen einsteigen anstatt auszusteigen. Schöpfer unseres eigenen Lebens werden. Das Leben geht einfach weiter, ob wir wollen oder nicht. Wir können uns entscheiden zu lernen auf den Wellen des Lebens zu surfen. Bevor ich zu einigen Ansätzen komme, noch eins meiner Lieblingszitate. Etwas Neues ist zu entdecken und auszuprobieren.
Lasst uns sagen, was wir fühlen und fühlen, was wir sagen, damit die Rede mit dem Leben übereinstimmt. Dieser Ausspruch Senecas kann uns Anregung sein, um offen zu sein für neue Denkräume.
Eine konkrete Lösung habe auch ich nicht. Ich beobachte in meiner Tätigkeit immer wieder, wie tief die Konzepte des patriarchalen Systems uns durchdringen, sodass es kaum möglich scheint, darüber hinaus zu gehen, um neue Wege oder Ansätze zu entdecken. Ich verwende verschiedene Ansätze, um die einengenden, patriarchal gefärbten Konzepte und Glaubenssätze körperlich spürbar und erfahrbar zu machen, um dies als Grundlage für neue Lösungsmöglichkeiten zu nehmen. Erst wenn ich das Einengende bewusst wahrnehme, ist es sozusagen der Ausgangspunkt, um in Klarheit neu entscheiden zu können. Vereinfacht gesagt, kann ich erst zu B kommen, wenn A definiert ist.
Selbstentwicklung ist eine wichtige Grundlage, um offen zu sein für neue Lösungen, um die Komfortzone zu verlassen, um unpopuläre Entscheidungen treffen und umsetzen zu können. Projektionen sind zu erkennen, zurückzunehmen, um den Rahmen für Lösungen zu schaffen. Eine neue Ethik, Toleranz, Verständnis, Verbundenheit und Wertekultur sind aus meiner Sicht unerlässlich, neben dem Mut, Neues auszuprobieren. Kurzfristige Vorteile für einige wenige auf Kosten kommender Generationen und der Erde sind zerstörerisch für unser Leben. Das darf nicht sein. Eine Balance zwischen Ökonomie und Ökologie ist zu finden, denn beides kann auch als eine Polarität verstanden werden.
Interessante Ansätze, mit denen ich mich beschäftigt habe, sind die am Massachusetts Institute of Technology (MIT), USA, entwickelte Theorie U und das soziokratische System aus Rotterdam.
Dr. Claus Otto Scharmer hat die Theorie U entwickelt. Ich habe sie in den Trainings als eine respektvolle und wertschätzende Methode erlebt, um weltweit zu positiven Veränderungen auf Unternehmens-, Regierungs- und zivilisatorischer Ebene beizutragen. Es werden Werkzeuge und Ideen vermittelt, um transformative Prozesse in Gang zu setzen. Das Credo ist, sich von der Zukunft leiten und führen zu lassen, die erst noch entstehen will. Theorie U versteht sich als Ideenwerkstatt von morgen.
Für mich ist die Soziokratie ein sehr beeindruckendes System. Vor 20 Jahren habe ich an einem Seminar mit Peter van der Mesche teilgenommen, und die Übung, die er mit uns durchgeführt hat, hat gezeigt, wie man trotz Kontroversen mit Transparenz zu Lösungen kommen kann, denen alle von Herzen zustimmen können.
Die Soziokratie basiert auf den Erkenntnissen der Systemtheorie und wurde von Prof. Endenburg entwickelt. Im Mittelpunkt steht die Gleichwertigkeit aller Beteiligten. Entscheidungen werden gemeinsam getroffen. Sie ist eine Organisationsform, die sowohl in Familien als auch in Unternehmen bis hin zum Staat angewendet werden kann. Das Ziel sind Konsensentscheidungen. Die Führung bezieht sich auf eine Führung in der Sache, weniger als Führung von Personen. Neben der Begegnung auf Augenhöhe steht die Zusammenarbeit im Vordergrund. Lösungen werden in effizienten gemeinsamen Prozessen erarbeitet und umgesetzt. Die Eigenverantwortung wird gefördert, jeder wird gehört und die Schwarmintelligenz führt zu besseren Lösungen. Echte Mitbestimmung ist gegeben und führt zu einer höheren Identifikation mit dem Team und der Organisation. Zudem besteht Transparenz in den Prozessen.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Lösung in erster Linie in uns selbst liegt: In Verbundenheit und Miteinander mit all unseren eigenen Teilen zu sein. Dies schafft die Voraussetzung für eine Gemeinschaft im Außen. In diesem Leben zu Hause sein. Das Leben geschieht uns nicht, wir sind die Schöpfer unseres Lebens mit Achtsamkeit, Eigenverantwortlichkeit und mit Authentizität. Wir brauchen einander und teilen das Leben. Keiner von uns kann etwas alleine tun. Wir lernen, was wir ändern können und was nicht. Das Leben ist ein Geschenk und wir geben ihm die Bedeutung, die wir ihm geben wollen.
Begegnen wir uns als Menschen mit Respekt und Wertschätzung, ohne uns auf die Unterschiede zwischen Mann und Frau oder andere Gegensätze zu konzentrieren. Die Würde des Menschen ist unantastbar. Leben wir das? Die Vision ist, uns als Menschen auf Augenhöhe zu begegnen, nicht als Mann und Frau und nicht in Gegensätzen zu denken. Je mehr Menschen sich auf den Weg der Selbstentwicklung begeben, desto schneller kann eine positive Wirkung stattfinden. Denn das Schwarz-Weiß-Denken und Entweder-Oder-Denken sind kontraproduktiv. Unsere Gesellschaft befindet sich in einer spirituellen Krise und ein drastischer Perspektivenwechsel ist notwendig, um eine neue innere und äußere Ordnung zu schaffen.
Lösungen sollten hinzugefügt und die entsprechenden Entscheidungen sollten durchdacht, möglichst für einige Generationen in die Zukunft gedacht werden, um eine bessere Risikobewertung zu erreichen. Der Fokus sollte nicht auf kurzfristigem Profitdenken um jeden Preis liegen. Die Entscheidungen sollten achtsam und verantwortungsbewusst mit Rücksicht auf das Leben und künftige Generationen getroffen werden.