Patriarchale Denkstrukturen - Glaubenskonzepte
von Dr. rer. nat. Marlies Koel
Einige Glaubenskonzepte in patriarchalen Strukturen
Konzepte gibt es in jedem System, ob groß oder klein. Jeder Mensch folgt bewusst oder unbewusst verschiedenen Überzeugungen und Mustern. Das Gleiche gilt auch für größere Systeme wie zum Beispiel in Gesellschaften oder Unternehmen. Viele wirken unbemerkt im kollektiven Unbewussten, andere werden immer wieder betont. In unserer patriarchalisch geprägten Gesellschaft und Zivilisation gibt es verschiedene Konzepte und Vorstellungen. Sie sind tief in unserem Zivilisationssystem verankert, so dass es kaum möglich ist, sich ihnen zu entziehen. Im folgenden Text beschreibe und kommentiere ich einige, die mir in meiner Arbeit mit Menschen immer wieder begegnet sind.
Konzepte können einengend wirken und zur Aufrechterhaltung starrer Systeme führen. Manchmal werden Aussagen aus dem Zusammenhang gerissen und erhalten eine andere Bedeutung. Als So können auf Angst basierende Gedanken das Leben einschränken und die Beeinflussbarkeit erhöhen. Die Vielfalt des Lebens leidet darunter.
DER KAMPF DES STÄRKEREN
Diese Aussage von Charles Darwin wirkt in allen Bereichen unseres Lebens. Unsere Gesellschaft ist von diesem Gedanken geprägt und er wirkt weiter. Der Kampf um die Überlegenheit und der Wettbewerb werden dazu genutzt, um die Konkurrenz zu übertrumpfen und dadurch höhere Gewinne zu erzielen. Diese eingeschränkte Sichtweise befeuert aus meiner Sicht nicht nur die Ausbeutung von Menschen, sondern alles, was Profit bringt.
ZEIT IST GELD
GELD REGIERT DIE WELT
In der Folge wird alles zertifiziert, genormt und in Machbarkeiten gedacht und bewertet. Der Mensch wird zur Ware, die sich selbst in ihrer Freizeit zu optimieren und zu perfektionieren versucht. Technisch mag das sinnvoll sein, um Effizienz und Gewinnmaximierung zu erreichen. Es ist ein rein ökonomisches Denken: Kapitalisierung der Welt und des Menschen, Profitdenken, Vergleichbarkeit = Konkurrenz, alles nur noch Zahlen, Daten und Fakten, Nutzwert, Verwertbarkeit etc.
Dies führt zu einem Verlust an Menschlichkeit, Werten, Tugenden, Ethik, den Gemeinsamkeiten, Miteinander und Verbundenheit. Im Leben kann es auch zu der Frage führen: Mit wem muss ich bekannt sein? Welche Freundschaften und Kontakte bringen mir einen Vorteil? Die Digitalisierung mit ihren Möglichkeiten befeuert dies. Die totale Vernetzung und Globalisierung führt zum Raubbau, denn Zeit ist Geld. Unser System gerät immer mehr aus den Fugen.
Wenn es um das Leben und die Lebensprozesse an sich geht, ist dieser Ansatz zu hinterfragen. Neue Wege der Verbundenheit, des Miteinanders, des Sowohl-als-auch sind zu finden. Grundsätzlich sollte die Wirtschaft dem Menschen dienen und nicht die Ausbeutung zum Credo haben.
ICH DENKE, ALSO BIN ICH
Descartes stellte die Frage „Da gibt es etwas in dir, was fragt?“ Eine andere Aussage lautete: „Die zwei Seelen in meiner Brust, Materie/Physis und das, was fragt, denkt, fühlt.“
Ein Körper, den wir haben, und ein Körper, der wir sind. Mit dem ihm zugeschriebenen Satz „Ich denke, also bin ich“ hat der Rationalismus Einzug gehalten. Für Wissenschaft und Wirtschaft hat er einen starken Entwicklungsimpuls ausgelöst. Die Auswirkungen sind enorm, sowohl im Positiven wie im Negativen.
WISSENSCHAFT, FORTSCHRITT UND MACHT ALS IDOLE
Die Versuchung, Gott zu spielen und über Leben und Tod zu entscheiden führt dazu, dass alles zertifiziert, normiert und nach Machbarkeit bewertet wird. Alles ist rational erklärbar, was ein scheinbares Gefühl von Sicherheit und Kontrolle vermittelt. Wissen wird angehäuft, aber das Herz fehlt. Das nährt eine schleichende Sinnlosigkeit. Niemand hat mehr den Überblick, weil es zu viele Spezialisierungen gibt. Das Wissen kann sowohl positiv als auch negativ genutzt werden, denn Wissen bedeutet Macht. Fortschritt wird oft mit Entwicklung verwechselt und Fortschritt wird oft unreflektiert als Ziel verfolgt. Neue Erfindungen werden nicht in ihren Konsequenzen durchdacht, sondern einfach umgesetzt, sei es wirtschaftlich oder militärisch, und wie die Geschichte zeigt, oft zum Nachteil der Menschen. Wer nicht mitzieht, geht verloren und hat keinen Platz in der Welt.
WISSEN IST MACHT
Macht über andere, Wirtschaft und Profit sind oft Auslöser für Kriege, sei es zur Ausbeutung durch Sklavenhandel, Industrialisierung oder Digitalisierung. Das Muster ist immer dasselbe: Aus Missständen entsteht weitere Entwicklung. Die Wirtschaft floriert. Auch das Wissen um die Beeinflussung und Lenkung von Massen und dessen Verbreitung wird teilweise destruktiv eingesetzt, um große Menschenmassen zu beeinflussen.
NUR IN EINEM GESUNDEN KÖRPER KANN EIN GESUNDER GEIST WOHNEN
Dieses Konzept ist jedoch fragwürdig, da es einen enormen Druck auf die Menschen ausübt. Aber was ist mit Menschen, die körperlich oder geistig eingeschränkt sind oder mit chronischen Krankheiten leben? Die negativen Auswirkungen dieses Denkens haben wir bereits im Zweiten Weltkrieg erlebt. Die Nahrungsergänzungsmittelindustrie und die Fitnessbranche profitieren davon.
ICH MACH MIR DIE ERDE UNTERTAN
Der Raubbau an den begrenzten Ressourcen der Erde wird gefördert. Geld regiert alles ohne Rücksicht auf Verluste und Ausbeutung. Die daraus resultierenden unabsehbaren Folgen führen zur Zerstörung unserer Lebensgrundlage, der Erde. Wenige Länder und wenige Individuen bereichern sich auf Kosten vieler, was sich negativ auf das Zusammenleben aller Menschen auswirkt und das soziale Gleichgewicht stört. Der Mammon des Wirtschaftswachstums übertrumpft sogar das Leben und das Wohlergehen, obwohl wir wissen, dass dies nicht erstrebenswert ist. Es verbraucht die Ressourcen der Erde.
KONTROLLE IST ALLES, DER HERRSCHAFTSANSPRUCH UND DER WILLE ZUR MACHT
Um diese Probleme zu lösen, bedarf es einer globalen Kontrolle. Eine einheitliche Welttheorie, eine Weltreligion, Gesundheitsinstitutionen und im Idealfall eine Weltregierung wären hilfreich. Der technologische Fortschritt ermöglicht eine zunehmende Kontrolle. Die Gleichschaltung und Kontrolle der Menschen ist in greifbare Nähe gerückt. Kontrolle ist die Grundlage, um Macht auszuüben und zu herrschen. Die Menschen werden normiert.
Die Idee, dass Angst Frieden schafft, wird genutzt, um Menschen dazu zu bringen, um freiwillig auf Freiheiten zu verzichten, um in Sicherheit zu leben. Wenige haben die Kontrolle über viele. Alle werden gleich gemacht, aber einige sind gleicher als gleich. Ich nenne das die Monokultur des Menschen.
DIE MÄNNLICHE DEUTUNGSHOHEIT
Männer treffen die Entscheidungen über die Forschung, das Vorgehen und die Interpretation der Ergebnisse. Klinische Studien werden in der Regel mit männlichen Probanden durchgeführt. Der Prototyp des Menschen ist der Mann, nicht die Frau. Weibliche System werden vernachlässigt. Frauen werden eher als Abweichung vom männlichen Standardmodell betrachtet. Glücklicherweise gibt es Bestrebungen, dies zu ändern.
Die Dominanz der männlichen Deutungshoheit hat zu einem Konflikt mit der Polarität geführt, da Entscheidungen auf Vernunft und Materie basieren. Das Nicht-Fühlen wird angestrebt, das rationale Denken zum Credo und zur Realität erhoben.
Eine fragwürdige Aufklärung: Die Bewegung der Individualisierung, der Machtanspruch des Einzelnen, die Welt zu verstehen und zu bestimmen und eine allgemeingültige Weltordnung zu schaffen. All das ist Teil des patriarchalen Denkens. Aus dieser Perspektive gibt es nur das. Das hat weitreichende Folgen, unter anderem den Verlust der Sinnhaftigkeit. Patriarchalisches Denken fördert Gewinnmaximierung und Materialismus, begleitet von Machbarkeitswahn. Alles wird durch die Brille des Besitzes gesehen, ähnlich wie in der Werbung: mein Haus, mein Boot etc.
RATIO STEHT ÜBER IRRATIONALITÄT
Welcher Gedanke veränderte alles?
In einer Diskussion zwischen Krishnamurti und David Bohm kamen beide zum Schluss, dass der Gedanke, dass Rationalität über der Irrationalität steht, der Beginn der Zivilisation war. Auch andere Gedanken förderten das patriarchale Weltbild: Wissen ist Macht, Kampf des Stärkeren, Kolonialisierung, Fortschritt ist Entwicklung, Machbarkeitswahn, Kontrolle etc. Die Menschheitsgeschichte, wie wir sie kennen, ist patriarchalisch, voller Kontrolle, Konkurrenz und Kampf, begleitet von Umweltzerstörung, Ausbeutung auf allen Ebenen, Alleinherrschaftsanspruch etc. Aus meiner Sicht ist das eine Überlebensstrategie, die immer mehr aus der Balance gerät.
Alles wird durch die Brille von Zahlen, Daten, Fakten, Verwertbarkeit, Machbarkeit, Profit gesehen. Die männliche Dominanz mit ihrem Autoritätsanspruch lässt den weiblichen Aspekt nicht zu. Die Menschlichkeit, Verbundenheit und das Miteinander werden eingeschränkt. Die Versuchungen, Ablenkungen etc. nehmen zu. Die Technisierung und Digitalisierung unserer Welt befeuert diese Entwicklung. Algorithmen bestimmen zunehmend unser Leben.
MÄNNER SIND WERTVOLLER ALS FRAUEN
FRAUEN SIND MENSCHEN 2. WAHL
FRAUEN KÖNNEN NICHT DENKEN
Das sind immer noch weit verbreitete Konzepte, um nur einige zu nennen. Von einer Gleichstellung der Geschlechter sind wir noch weit entfernt. Wir sind weit davon entfernt, uns als Menschen auf Augenhöhe respektvoll zu begegnen. Möglicherweise liegt das Problem bei den Frauen selbst, denn sie sind oft eher bereit, sich zurückzunehmen. Für sich selbst einzustehen, sich selbst in den Mittelpunkt zu stellen, den eigenen Wert zu erkennen und zu leben, ist eine große Herausforderung für Frauen. Als Frau selbstbestimmt und eigenverantwortlich zu entscheiden und zu handeln. Warum nehmen sich Frauen freiwillig zurück? Meiner Meinung nach spielt die Biologie eine Rolle: Frauen gebären und kümmern sich in der Regel um die Kinder. Sie nehmen sich zurück, verzichten und kümmern sich. Frauen passen sich auch oft den Rollen an, die ihnen zugeschrieben werden. Das ist vielen Männern, vor allem den dominanten, völlig fremd.
In unserer Gesellschaft verdienen Frauen in gleichen Berufen und Positionen immer noch weniger. Wer erfolgreich sein will, muss mehr leisten. Das gilt besonders für Frauen. Frauen setzen sich niedrigere Ziele, stellen die Familie an erste Stelle oder der Erfolg ist ihnen nicht so wichtig, um nur einige Gründe zu nennen. Ein Trainer hat einmal gesagt, dass Frauen oft viel besser sind als Männer, sich aber nicht trauen. Männer machen einfach. Die Angst vor der vollen Verantwortung zu 100 % und nicht zu 99.9% hält viele Frauen davon ab, erfolgreich zu sein.
Wir sind alle auch Säugetiere und tragen das Erbe unserer Millionen von Jahren währende Evolution in uns. Damals waren die Rollen noch anders verteilt. Ein Anthropologe hat mir einmal erklärt, dass Männer damals, um beispielsweise ein Mammut zu erlegen, in der Lage sein mussten, ihre Ressentiments beiseite zu schieben, um das gemeinsame Ziel zu erreichen. Beeren, Pflanzen und Wurzeln konnten allein oder gemeinsam von Frauen gesucht werden. Möglicherweise sind auch andere evolutionäre Mechanismen wirksam, die genetisch verankert sind.
Es gibt grundlegende Unterschiede zwischen Männern und Frauen. Daran ändert auch das Gendern nichts: Es gibt Unterschiede auf genetischer, hirnorganischer, biologischer und psychologischer Ebene.
Vor 20 Jahren hatte ich die Idee, was wäre, wenn alle Frauen der Welt 24 Stunden lang streiken würden. Ich finde diese Idee immer noch sehr reizvoll, weil ich glaube, dass die Wirkung enorm wäre.
DEN TOD ÜBERWINDEN
EWIGES LEBEN IST MÖGLICH
Überwindung der Begrenztheit der physischen Existenz. Schon in frühen Gesellschaften suchten Herrscher nach der Unsterblichkeit, indem sie Gold tranken, Elixiere des ewigen Lebens einnahmen etc. Die Geschichte ist voll von solchen Beispielen. So werden in den USA tote Körper eingefroren, mit dem Versprechen, sie später wiederzubeleben.
Auch die Vorstellung vom ewigen Leben scheint eine patriarchale Vorstellung zu sein, die parallel zur Entstehung der Zivilisation entstanden ist. Die Kirche spricht von einem Leben ohne Körper, während die Wissenschaft ein Leben mit Körper ermöglichen will. Vielleicht gibt es auch schon die Idee, das Bewusstsein auf einen Chip zu übertragen, um unsterblich zu sein, um die Begrenztheit der körperlichen Existenz zu überwinden.
Im patriarchalen Verständnis sind Leben und Tod Gegensätze. Das sind sie nicht, es sind Konzeption und Tod. Das Leben ist immer. Die Vorstellung im patriarchalen Denken ist, dass man den Tod überwinden muss, um mit dem Körper das ewige Leben zu erlangen.
Die weibliche Schöpferkraft hingegen sieht das Leben anders.
Welches System auch immer das Patriarchat uns auferlegt hat, es ändert nichts an der Tatsache, dass unser physisches Dasein in dieser Welt endlich ist. Auch wenn die patriarchale Seite versucht, eine Seite aus der Gleichung zu entfernen, bleibt die Endlichkeit bestehen. Eine unserer größten Herausforderungen besteht darin, die Endlichkeit des physischen Körpers und der Materie anzuerkennen. Durch das Kreieren von Dilemmas wird versucht, uns dieser Herausforderung zu entziehen.