Wie finden wir Lösungen?

by Dr. rer. nat. Marlies Koel

„Jenseits von richtig und falsch gibt es einen Ort, dort treffen wir uns“
Rumi

Dieses Zitat von Rumi ist heute so gültig wie damals.

Häufig spielt bei dem Wunsch eine Lösung zu finden, der Drang recht haben zu wollen, eine subtile Rolle. Recht haben ist etwas, das uns eine scheinbare Dominanz und Kontrolle verspricht. Damit ist die unbewusste Annahme verknüpft, dass recht haben gleichzusetzen ist mit richtig und in Ordnung zu sein.

„Will ich glücklich sein oder Recht haben? Beides zusammen geht nicht.“ Gegenseitiges Verständnis ist wichtiger als Rechthaben und schafft den möglichen Rahmen für Lösungen. Dazu gehört auch Schuldzuweisungen zu lassen, Projektionen zurück zu nehmen und ein Nein als eine andere Bedürfnislage meines Gegenübers zu betrachten.

Entstehen wahre Lösungen möglicherweise dann, wenn es nicht um „rechthaben“ geht? Die Ursache für das Bedürfnis recht haben wollen kann eine unbewusst antrainierte Überlebensstrategie aus der Vergangenheit sein. Es ist notwendig, uns selbst und unser Bezugssystem zu hinterfragen und letzteres möglicherweise zu verändern, um jenseits der eigenen Begrenzungen, auf einer anderen Ebene die Lösungen zu finden.

Auch ist es möglich, dass bei einem Problem, das unlösbar erscheint, ein unbewusstes Dilemma die Ursache ist. Dieses kann uns in einer Überlebensstrategie festhalten und eine Entscheidungsfindung gar unmöglich machen.

Es ist hilfreich, wenn wir uns die ursächlichen Grund-Dilemmas näher ansehen, um diese zu erkennen und in einem Prozess für uns lösen. Dann können wir uns auf einer neuen Ebene begegnen.

Der indische Gruß aus dem Sanskrit „Namaste“ enthält „Ich grüße das Göttliche/die Quelle in Dir.“ Dieser Gruß ist jenseits von den alltäglichen menschlichen Animositäten und kann die innere Haltung unterstützen konstruktiv Lösungen anzustreben und den Raum dafür zu öffnen.

Seit Anbeginn der Menschheitsgeschichte beschäftigen wir uns mit den Fragen „Wo komme ich her, wer bin ich und wo gehe ich hin“. Die Fragen sind weiterhin unbeantwortet und treiben uns um. Vielleicht ist die Unbeantwortbarkeit eine der Gründe dafür, dass der Mensch sich zunehmend der Materie zugewandt hat und sich zum Teil damit identifiziert. Die Materie ist im Gegensatz zum Unsichtbaren anfassbar, kontrollierbar und nährt unser Empfinden die Kontrolle zu haben und handlungsfähig zu sein. Wir ignorieren gerne, dass das Unsichtbare entsprechend dem Eisbergmodell ca. 90% ausmacht. Dies könnte bedeuten, dass das Nicht-Verstehen größer ist als uns lieb ist.

Naturkatastrophen bringen uns immer wieder mit einem menschlichen Grundgefühl der Ohnmacht, Hilflosigkeit sowie Angst in Berührung. Der unbedingte menschliche Wille auch Katastrophen zu überwinden und zu überleben, ermöglicht unsere Entwicklung, wie auch unsere Neugierde alles verstehen zu wollen. Gemeinsam kommen wir zu besseren Lösungen. Je mehr wir darüber lernen, was funktioniert und was nicht funktioniert, steigert sich die Lust auf Erkenntnisgewinn und bildet die Basis für Lösungen. Querdenken und kritisches Denken ist eine wesentliche Komponente.

Je tiefer wir in unseren Konflikten feststecken, umso weniger sind wir in der Lage Lösungen zu finden. Wir sind dann derartig in unserem Überlebenskampf verstrickt, sei es ums physische, emotionale oder spirituelle Überleben, dass wir uns selbst verloren haben. Wir haben den Kontakt zu uns und unserer tiefen Empfindungswelt verloren. Erklärungen und Lösungen werden auf einer rationalen Ebene gesucht.  Dies zeigt wie sehr wir über die Materie definiert sind und uns einen Halt gibt. Es wird sich mit der Materie identifiziert. Anstatt mit dem Herzen zu fühlen, werden Gefühle im Kopf gedacht.

Wenn wir uns unsere Geschichte anschauen, haben sich die menschlichen Themen nicht wesentlich verändert. Es ist die Technik hinzugefügt worden und damit die Möglichkeiten, sich die Erde und deren Ressourcen untertan zu machen. Konzepte wie „der Kampf des Stärkeren“ haben die Gesellschaft auf allen Ebenen beeinflusst. Der Kampf um die Macht, um den Platz und den Raum ist unverändert. Dies zeigt sich in allen möglichen Ebenen: beim Individuum, beim Platz in der Familie, an den Arbeitsstellen, in Vereinen oder anderen Gemeinschaften, in der Gesellschaft und in Nationen. Dabei ist der sichere Platz nicht verhandelbar.

Was wäre, wenn unter vermeintlich unlösbaren Konflikten und Problemen ein Dilemma verborgen wäre? Eine mögliche Frage ist, welches unbewusste Dilemma könnte der Grund sein, dass wir keine Lösung für die Suche nach unserem sicheren Platz finden. Es ist für uns emotional sehr belastend, wenn dieser nicht gegeben ist.

Das Empfinden dafür kann im Kopf, im Bauch oder im Herzen fühlbar sein. Häufig findet Empfinden nur noch im Kopf statt. Wenn wir mit dem Herzen fühlen kann es bedeuten, dass wir uns unserer Dilemmata bewusst werden und eine höhere Bereitschaft haben, diese zu durchschreiten. Wir begeben uns oder sind dann „jenseits von richtig und falsch.“

Warum sind Systeme, die den Lebensweg beschreiten nicht so dauerhaft, wie jene aus dem Überlebensweg? Hat es etwas damit zu tun, dass verstrickte Negativ- Kontakte wesentlich stabiler sind als Positivkontakte? Was hält uns von einem dauerhaften und konstruktiven Miteinander ab? Wie sehr treibt uns die Angst vor dem Unsichtbaren, Unbekannten und einem damit verbundenen Nicht-Verstehen voran? Ist dies ein möglicher Grund, warum sich viele so sehr der materiellen Welt verschrieben haben?

Welche innere Grundhaltung ist die Basis, um in Konflikten und anderen Herausforderungen offen für konstruktive Lösungen zu sein? Es bedarf sicherlich einer fortwährenden Reflexion und Achtsamkeit, um sich weiter zu entwickeln und alte Muster und Gewohnheiten zurück zu lassen. Auch ist Selbstdisziplin notwendig um die Veränderungen zu implementieren und zur Normalität werden zu lassen.

Wir entscheiden als Einzelne, als Gruppe und als Nation, welchen Weg wir einschlagen. Soll unsere Zukunft konstruktiv in einem gelingenden Miteinander sein, in der wir uns wahrlich als Menschen begegnen?

Albert Einstein formulierte so treffend:
„Das Problem zu erkennen, ist wichtiger, als die Lösung zu erkennen, denn die genaue Darstellung des Problems führt zur Lösung.“

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