Den Heiligen Inneren Krieg lösen, heilen und den Dreiklang atmen
von Dr. rer. nat. Marlies Koel
Den Heiligen Inneren Krieg lösen, heilen und den Dreiklang atmen
Meine Gedanken, die ich soeben formuliere, haben nicht den Anspruch auf Allgemeingültigkeit und Wahrheit. Sie mögen zum Teil weit hergeholt erscheinen. Vielleicht regen sie gerade dadurch zu neuen Denkweisen an und laden zu neuen Perspektiven ein.
Der Heilige Innere Krieg ist ein Thema, das seit Jahrtausenden besteht. Er steht in Beziehung zu den monotheistischen Religionen und wird auf verschiedenen Ebenen ausgetragen. Es ist der Ausdruck eines grundlegenden Polaritätskonfliktes, der mit Beginn der Zivilisationen und patriarchalen Denkstruktur entstand. Der Heilige Innere Krieg begann mit dem Polaritätskonfliktes zwischen Geist und Materie. Die Entscheidung fiel zugunsten der Materie. Er wurde und wird als Projektion nach außen getragen und ist somit Teil unseres Lebens, wie schon die Paradiesgeschichte zeigt. Eine Frage von Dr. Peter Reiter in einem seiner Seminare lautete: „Was hätte sich für die Menschheit geändert, wenn statt, „Die Schlange war es,“ gesagt worden wäre: „Ich war es“. In diesem Fall wäre der Mensch in seiner Eigenverantwortlichkeit geblieben, mit entsprechend positiven Auswirkungen auf unsere individuelle und gesellschaftliche Entwicklung.
Der Gedanke „Rationalität über Irrationalität“ steht möglicherweise am Anfang der Entstehung unserer Zivilisation und hat den Vorschub für die patriarchale Denkstruktur gegeben. Sie beruht auf einem Mangeldenken und eine Kompensation dafür ist die Kontrolle. Hierzu verweise ich auf die entsprechenden Artikel zur patriarchalen Denkstruktur. Die Entscheidung für die Materie und ihre Folgen hat sich in unserer zivilisatorischen Entwicklung langsam durchgesetzt und im Laufe der Zeit Fahrt aufgenommen. Die Ergebnisse und Auswüchse dessen erleben wir hautnah: Wer ist besser, wer ist schneller, wer hat die größere Macht? Das Mein und Dein, das Sein und Haben ist ein seit langem bestehender Konflikt in unserer Welt.
In der Polarität gibt es eine Dreiheit. Aufgrund des Konfliktes innerhalb der Polarität nehmen wir uns die Möglichkeit das Dritte, neue Lösungsräume zu entdecken, nicht im Blick. Es bedarf unseres Mutes, diesem Dritten, zu begegnen, wie immer sich dies auch zeigen mag. Auch könnten wir in dem Prozess der menschlichen Grundangst der Ablehnung unserer Person und unseren tiefsten Schatten und Dämonen begegnen. Es gibt auch die Angst, das Dritte nicht erkennen und empfangen zu können. Stattdessen wird der materiellen Versuchung oder Ablenkung gefolgt und dieses Thema wird ins Innere abgespalten. Somit wird der Konflikt des Heiligen Inneren Krieges ins Unbewusste verlagert und auf verschiedenen Ebenen ins Äußere projiziert. Es ist ein Krieg auf vielen Ebenen. In Unkenntnis einer dritten Möglichkeit innerhalb der Polarität fehlt häufig der Mut, sich ernsthaft und achtsam mit der Polarität auseinander zu setzen.
Der Heilige Innere Krieg bedeutet, dass wir mit der Polarität in Konflikt geraten sind. Wie ich bereits beim Thema Dilemma beschrieben habe, sind wir so darin verstrickt, dass wir keine Entscheidung treffen können - weder für die ein- oder andere Seite, noch wollen wir überhaupt etwas damit zu tun haben. Dies führt zu weiteren Verstrickungen, Konflikten, Traumata oder ewigen Zweifeln. Da wir uns in einem Konflikt mit der Polarität befinden, zeigt sich keine Lösung und die dritte Möglichkeit kann nicht entdeckt werden. Stattdessen befinden wir uns inmitten des Heiligen Inneren Krieges: Jede Seite glaubt Recht zu haben. Das hat zu Kriegen im Äußeren geführt. Wir befinden uns in einem Schwarz-Weiß-Denken und sind nicht in der Lage zu einem „sowohl als auch“ und zu einem „und“ zu kommen.
Rumi gab vor 800 Jahren einen Hinweis auf das Dritte:
„Jenseits von richtig und falsch, dort gibt es einen Ort, dort treffen wir uns“.
Die Grundpolarität kann wie folgt beschrieben werden: Geist-Materie, männlich-weiblich, plus-minus, Gott-Mensch. Der Prozess des Eintritts in die Polarität, in die Materie, in unsere Welt und in das Leben ist ein individueller Prozess. Es geschieht in uns. Wir haben keinerlei Kontrolle darüber und kein Verstehen. Es ist ein fühlendes Empfinden und Wahrnehmen, für manche mag es ein fühlend verstehendes Empfinden sein. Und dennoch erklärt es uns nicht, wie das Leben in die Atome gelangt. Wir wissen nicht, wie sich das Leben in dieser Materie manifestieren konnte. Es entzieht sich unserer Kontrolle. Dieses Unverständnis hat in diesem Polaritätskonflikt zu einem fortwährenden inneren Konflikt geführt, der in irgendeiner Art und Weise kompensiert werden muss. Unsere Welt ist eine Welt der Kontrolle und in diesem Bereich entzieht sie sich uns.
Gleichgültig welche Aussagen Buddha und Rumi geäußert haben: der Geist formt die Materie und wir leben in einer rationalen Gesellschaft, in der wir alles verstehen wollen. Denn wenn wir etwas verstehen, nehmen wir an, die Kontrolle zu haben. Der Übergang, in dem das Leben in die Atome gelangt, ist ein Bereich der sich unserem Verstehen, Wissen und unserer Kontrolle entzieht. Es gibt uns eine scheinbare Sicherheit, wenn wir die Dinge nachvollziehen und auch kontrollieren können. Die Technik und digitale Entwicklung ermöglichen uns dies in vielen Bereichen, und dennoch wird es immer Bereiche geben, in den wir keine Kontrolle haben. Die Wissenschaften erklären uns die Welt, das Universum und das Leben. Die Antwort wie das Leben sich in den Atomen einfindet, bleibt jedoch unbeantwortet. Es wird als eines der wichtigsten zu lösenden Mysterien angesehen. Die Antwort liegt wahrscheinlich jenseits der Materie.
Die Polarität in ihrer Dreiheit ist notwendig für eine Lebensbewegung. Die Lösung dessen liegt in der Entdeckung des „Dritten“, sowie in einem „sowohl als auch“ und „und“ zwischen den Polaritäten. Wir leben in einer Zeit des Wandels, in der die Menschen sich aufgrund einer scheinbaren Sinnbefreiung von Gewohntem innerlich verloren glauben. Möglicherweise haben sie sogar keinen Kontakt mehr zu sich selbst. Die Einen flüchten in ein permanentes Beschäftigt-Sein, andere wiederum entwickeln Vermeidungsstrategien, um sich nicht mit sich selbst auseinanderzusetzen. Projektionen und Versuchungen sind dabei unsere ständigen Begleiter. Sie verhindern die Entwicklung der Eigenverantwortlichkeit und die Fähigkeit zu einer autonomen Authentizität.
Als Menschen sind wir eingeladen, eine neue Stufe in unserer Bewusstseinsentwicklung zu beschreiten. Die matriarchale und patriarchale Ebene, die ich als eine Gedächtnisebene definiere, ist als abgeschlossen zu betrachten. Für die nächste Ebene gibt es keine Vorgaben oder Anleitungen. Alles ist neu. In den 90-er Jahren formulierte ich, dass ein Teil der möglichen Lösung in dem Miteinander liegt. In einer inneren Verbundenheit mit uns selbst, mit den anderen, mit der Natur und der Welt. Vor allem ist entscheidend, dass wir dem Gegenüber wahrlich in Respekt und auf Augenhöhe begegnen. Die Voraussetzung dafür ist, die inneren Abspaltungen, Konzepte, Traumata, Schatten, Widersprüchlichkeiten und Dilemmas zu erkennen, sie zu transformieren und zu lösen. Eine frühere Formulierung dafür ist der „Heilige Innere Krieg“, der heutzutage unverändert besteht.
Gleichgültig, ob Mann oder Frau, die Polarität ist natürlicherweise in uns angelegt, denn wir haben immer männliche und weibliche Energieanteile in uns. Eine unserer besonderen Herausforderungen ist, diese in einem partnerschaftlichen Miteinander weiterzuentwickeln und inneren Frieden zu finden, um das unbekannte Dritte zu entfalten. Gelingt dies nicht, wird es in der Regel nach außen projiziert. Der Heilige Innere Krieg hat in seiner Projektion nach außen vielfach zu Kriegen auf verschiedenen Ebenen in der Welt geführt.
Wir leben in einer Welt, in der wir oftmals Be- und Verurteilungen, Konzepten und Vorstellungen, Funktionen und Erwartungen begegnen. Dies führt neben den vielen Kränkungen auch zu Abspaltungen. In der Folge verlieren wir uns. So entstehen bereits im jungen Leben Glaubenssätze und Konzepte, die einschränkend wirken können.
Kann es sein, dass der Heilige Innere Krieg bereits innerhalb der menschlichen Grundfragen „wo komm ich her- wer bin ich- und wo geh ich hin?“ stattfindet?
Wenn wir im Next Level- so bezeichne ich diese nächste Entwicklungsstufe- in unserer weiblichen Schöpferkraft leben, dann bedeutet dies, die Polarität zu leben, offen für das Dritte und das Leben zu sein und uns auf Augenhöhe zu begegnen. Es wird immer ein individueller Prozess sein, der sich unmittelbar auswirkt und sich in eine nächste neue Stufe weiterentwickelt.
Jede*r Einzelne, die-der sich darauf einlässt, macht einen Unterschied.
„Seiest Du selbst die Veränderung, die du dir wünscht für diese Welt.“ Mahatma Gandhi
Rumi Jalal ad'Din:
“I died as mineral and became a plant,
I died as plant and rose to animal,
I died as animal and I was human,
Why should I fear? When was I less by dying?
Yet once more I shall die human,
To soar with angels blessed above.
And when I sacrifice my angel soul
I shall become what no mind ever conceived.
As a human, I will die once more,
Reborn, I will with the angels soar.
And when I let my angel body go,
I shall be more than mortal mind can know.”